Warum Nono?

Warum das Nono-Projekt eine pädagogisch wertvolle Aufgabe in der Oberstufe einnimmt.





Moritz Fischer während einer Podiumsdiskussion
Am 27. Februar 2008 erlebt die Internatsschule im Zuge des abschließenden Projektabends eine beeindruckende Darbietung: Egal ob einem der Beitrag des Musikkurses, der versucht, Il Canto Sospeso in szenischem Spiel zu interpretieren, des Deutschkurses, der die Todesfuge von Paul Celan rezitiert, oder des Kunstkurses, der in seiner Performance die Euthanasievorfälle des III. Reichs aufarbeitet, besonders unter die Haut geht – immer ist eine ungeheure Betroffenheit des Publikums wahrzunehmen.
Dann aber der Beitrag eines Mitschülers, der –man könnte beinahe sagen „typisch für den Hansenberg“- es nicht scheut, kritisch in seiner Rede zu hinterfragen, warum ein solches Projekt in der gymnasialen Oberstufe durchgeführt werden muss. Er habe schon oft Geschichten von dem Leid der Juden, Behinderten, Homosexuellen oder politisch Verfolgten im III. Reich gehört, sagt er und fährt fort: „Habe ich aber 6 Mio. Juden umgebracht, bin ich schuldig an diesen Verbrechen? Nein!“ Schnell entwickelt er hieraus die Frage, warum es denn dann überhaupt (im Rahmes des Nono-Projekts) notwendig sei, diese „dunklen Jahre der Geschichte“ in einer derart intensiven Art aufzuarbeiten.
Eine Frage, die nicht nur sehr häufig von Seiten meiner Mitschüler gestellt wird, sondern die in ihrer Grundintention meiner Meinung nach – dies behaupte ich nicht zuletzt auch durch das Projekt – vollkommen legitim und angemessen ist. Denn tatsächlich gibt es wenige rational begründbare Thesen, warum ein deutscher Schüler im Jahr 2oo8 mit Schuldgefühlen auf polnische, russische oder israelische Jugendliche zugehen sollte! Ganz im Gegenteil: Deutschland sollte in Zeiten der wachsenden globalen Gemeinschaft und zusammenrückender Kulturen bereit sein, an diesem Prozess integrativ, aber auch selbstbewusst zu partizipieren. Dazu gehört eben auch das Ablegen von Schuldgefühlen für die unmenschlichen Verbrechen, die 70 Jahre zuvor zwar durch Deutsche geschehen sind, die also ein deutscher Jugendlicher heutzutage nicht mehr beeinflussen kann.
Wäre das Nono-Projekt also tatsächlich dazu da, um uns als Schülern ein „schlechtes Gewissen zu machen“ und uns die Rolle des Schuldigen aufzuerlegen – wie ja obiger Schüler mit seiner Rede verlautbart-, so würde man ihm denn auch all seine Daseinsberechtigung entziehen.
Bisher nicht zur Aussprache gekommen ist dabei allerdings der eigentlich zentrale Aspekt des Projekts, den sein Namensgeber selbst prägt: „Die Briefe der Opfer sind in mein Herz eingemeißelt“, bekundet Luigi Nono über sich selbst. Genau diese „Meißelung“ (des Schreckens und der Grausamkeit) an die nächsten Generationen zu übertragen, darf laut Gründer des Projekts auch als Ziel dieser besonderen Unterrichtseinheit verstanden werden: „Damit so etwas niemals wieder passiert.“
Gerade letztere Aussage sollte aber tatsächlich unser Sinnen und Trachten darstellen, was dann im Unterricht häufig mit dem etwas platten Satz „als ganzheitlich gebildete Persönlichkeit mit dem Wissen um die Verbrechen der (deutschen) Geschichte VERANTWORTUNGSVOLL in Gegenwart und Zukunft handeln“ beschrieben werden kann. Dieses mag zweifelsohne richtig und gut sein, aber häufig reicht eben das normale Geschehen des Frontalunterrichts oder der Quellenarbeit im Geschichtskurs nicht aus, um dieses Verantwortungsgefühl bei uns Schülern zu vermitteln, weil die gelernten Zahlen und Daten (wie z.B. 53 Mio. Kriegstote…) einfach zu „abstrakt“ und unbegreiflich sind. An genau diesem Punkt der (emotionalen) „Greifbarkeit“ setzt nun das Nono-Projekt an: Der Projekt-Film „Il Canto sospeso“, mit Bildern und vertonten Abschiedsbriefen von Opfern, die unbegreiflichen Schmerz beim Zuschauer hinterlassen, die Vorträge von Überlebenden und Zeitzeugen mit teils sehr bewegenden und persönlichen Schicksalen und zuletzt auch das kritische, eigenständig und selbstbestimmte Arbeiten an Themen im Rahmen des III. Reichs haben für mich dieses „abstrakte Monstrum“ gewissermaßen entkleidet und es im Rahmen des Projekts –wenn eben auch häufig auf schmerzliche Weise- sehr nahe gebracht. So nahe, dass es mir ein persönliches Bedürfnis zu sein scheint, vergleichbare Gräueltaten in Zukunft zu verhindern. Genau dieser durch das Projekt hervorgerufene Effekt ist in meiner Ansicht wünschenswert, aber eben auch nur auf diesem Weg, den „Nono“ eröffnet, zu erlangen. Auch andere äußern sich vergleichbar: „Ich habe diese schrecklichen Dinge gekannt, aber heute habe ich sie wirklich erlebt“, sagt ein Mitschüler am Abend des 27. Februar.

Zusammenfassend kann das Nono-Projekt –zumindest soweit meine Interpretation geht- also durchaus mit „SCHULD, Nein!“ „VERANTWORTUNG, Ja!“ beschrieben werden und auch unser Projektleiter Niko Lamprecht kann auf ähnliche Weise zitiert werden: „…sich (durch das Projekt) verantwortlich fühlen für Toleranz und Frieden ohne die Keule der Moral, Schuld und Sühne!“. In meiner Sicht ein sehr erstrebenswertes Ziel.

Moritz Fischer


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